Das Bundesverfassungsgericht und der EGMR sind sich einig - gemeinsames Sorgerecht auch für Väter nichtehelicher Kinder. Die gesetzliche Neuregelung ist am 19.05.2013 in Kraft treten.

Nach dem bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Urteil vom 03.12.2009 - EGMR Nr.22028/04) die bestehenden gesetzlichen Regelungen in Deutschland zum Recht der elterlichen Sorge unverheirateter Väter gerügt hatte und die Bundesregierung zur Überprüfung und Änderung der Gesetze aufgefordert wurde, hat nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht berechtigte Kritik geübt (Beschluss vom 21. Juli 2010 – 1BvR 420/09 –).

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat auf die Verfassungsbeschwerde nunmehr mit Beschluss vom 21.07.2010  entschieden, dass die §§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1 BGB mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar sind. Der Beschluss des Familiengerichts wurde aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden.

Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung hat das Bundesverfassungsgericht in Ergänzung der §§ 1626a Abs. 1 Nr. 1, 1672 Abs. 1 BGB vorläufig angeordnet, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil davon gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht; dem Vater ist auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder ein Teil davon allein zu übertragen, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Nun liegt der Referentenentwurf für ein neues Gesetz vor. Einzelheiten ergeben sich aus der Pressemitteilung des Bundesministerium der Justiz vom 02.04.2012. Eckpunkte sind:

Mit Geburt hat die Mutter zunächst das alleinige Sorgerecht.

Wenn die Mutter mit der gemeinsamen Sorge nicht einverstanden ist, kann der Vater künftig wählen, ob er zunächst zum Jugendamt geht, um doch noch eine Einigung zu erreichen. Auch der Weg zum Familiengericht steht ihm jederzeit offen, egal ob der Gang zum Jugendamt erfolglos bleibt oder von vornherein unsinnig erscheint.

In dem beschleunigt und vorrangig durchzuführenden gerichtlichen Verfahren, erhält die Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag des Vaters. Die Frist dafür endet frühestens 6 Wochen nach der Geburt des Kindes.

Das Familiengericht überträgt die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Schweigt der andere Elternteil oder trägt er keine potenziell kindeswohlrelevanten Gründe vor und sind solche Gründe dem Gericht auch sonst nicht bekannt geworden, besteht eine gesetzliche Vermutung, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. Das Gericht entscheidet dann in einem vereinfachten Verfahren (schriftliches Verfahren ohne Anhörung des Jugendamtes und ohne persönliche Anhörung der Eltern).

Diese Lösung reagiert in adäquater Weise auf das Ergebnis der im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz durchgeführten rechtstatsächlichen Untersuchung Danach geht es in vielen Fällen gar nicht um das Kindeswohl, wenn Mütter die gemeinsame Sorge ablehnen und sich beispielsweise nur wünschen, bei Konflikten weiterhin alleine entscheiden zu können oder nur schlicht nicht ausreichend über die gemeinsame Sorge informiert sind.

Weiter eröffnet der Entwurf dem Vater auch die Möglichkeit, die Alleinsorge auch gegen den Willen der Mutter zu erlangen. Der Entwurf sieht vor, dass der Vater auf Antrag das alleinige Sorgerecht erhält, wenn eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Am 28. November 2012 fand im Rechtsausschuss des Bundestages die öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Regierungsentwurf für eine Sorgerechtsreform statt. In Zukunft soll der Vater die Mitsorge auch dann erlangen können, wenn die Mutter dem nicht zustimmt. Nach dem Gesetzentwurf soll zunächst die Kindesmutter das alleinige Sorgerecht haben. Wenn die Mutter das gemeinsame Sorgerecht ablehnt, kann der Vater sich an das Jugendamt wenden, um noch eine Einigung mit der Mutter zu erreichen. Wenn er damit keinen Erfolg hat oder von vornherein keine Aussicht auf Erfolg besteht, kann er einen Antrag beim Familiengericht stellen. Bisher hatten nicht verheiratete Väter keine Möglichkeit, gegen den Willen der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht durchzusetzen. Diesen Zustand haben der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Bundesverfassungsgericht beanstandet.

Das Gesetz ist am 16.04.2013 im Bundesgesetzblatt erschienen und wird am 19.05.2013 in Kraft treten.

Pressemitteilung vom 02.04.2012

pdfReferentenentwurf Sorgerecht Stand 28.03.2012

BVerfG - Pressemitteilung 57/2010

BVerfG - Urteilstext

Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern